Ich bin im Oktober 1989 in Helsinki, der Hauptstadt Finnlands, geboren worden. Nur ein paar Wochen später erlebte Europa die bedeutende Wende, als die Berliner Mauer fiel und Deutschland begann, auf die Wiedervereinigung zuzusteuern. Für meine Generation, die heute Mitte bis Ende Zwanzig ist, in den 90er Jahren ihren schulischen Weg begann und zu Anfang der weltweiten Finanzkrise ins Arbeitsleben oder Studium hineinrutschte, waren Werte wie Menschenrechte, Pressefreiheit und Chancengleichheit weitaus gegeben. Wir lernten von unseren Eltern, Erziehern, Vorbildern und Lehrern, dass nach dem Zweiten Weltkrieg Organisationen aufgebaut und internationale Regeln vereinbart worden waren, die ein solides Fundament für unsere Gesellschaft bilden. Zum Europäischen Projekt, das nun vor 60 Jahren seine ersten Schritte ging, kamen zu unserer bisherigen Lebenszeit vor allem osteuropäische Länder hinzu.
Auch noch Ende der 2000er Jahre, als meine Freunde in Spanien und Griechenland die Jugendarbeitslosigkeit deutlich zu spüren bekamen und entweder ihre studentischen Karrieren bis in die gefühlte Ewigkeit hinauszogen oder nach Berlin und London auswanderten, rührte sich wenig an den aller fundamentalsten, liberal-demokratischen Werten in der Welt, die ich wahrgenommen habe.
Was wir aber in den letzten paar Jahren beobachten konnten, ist, dass diese Wertebasis plötzlich bedroht ist, das erste Mal zu meiner Lebenszeit. Ich spreche davon, dass Anders-sein nicht mehr toleriert wird und, dass Hass zu verbreiten normalisiert wird – sowohl gegen Ausländer, wie auch ethnische, religiöse und sexuelle Minderheiten. Traditionelle Familienbilder und konservative Frauenrollen machen sich in der Gesellschaft breit. Für einige Europäerinnen und Europäer sind Solidarität und Hilfsbereitschaft zu einer Schwäche geworden, und nationalistische Doktrinen werden gegenüber einer transnationalen Zusammenarbeit bevorzugt. In verschiedenen Wahlen treten Parteien an, die für die die für ein Verbot von Abtreibungen und für einen Austritt aus der EU sind – nur zwei Beispiele von Themen, die ich mir noch vor kurzem nicht als politische Realität hatte vorstellen können.
Meine Generation in Europa hat nie zuvor erlebt, dass sie für ihre Freiheit und Werte auf die Straße gehen musste. Meine Freunde: Es ist aber an der Zeit. Wenn wir nicht nur die Europäische Union, sondern unsere Vorstellung von einer liberal-demokratischen Gesellschaft aufrechterhalten wollen, müssen wir Stellung beziehen. Nicht nur nehmen, zeigen, sichtbar machen.
Wir müssen andere Menschen in dieser Bewegung mitziehen und von unserem Handeln überzeugen. Ich arbeite für die Schwarzkopf-Stiftung „Junges Europa“, und wir haben uns als Ziel gesetzt, junge Menschen zur aktiven Teilnahme an der Zivilgesellschaft zu befördern. Für uns sind junge Menschen agents of change, wichtige Akteure, die gesellschaftlichen Wandel vorantreiben können. In allem was wir täglich tun – unseren Diskussionsveranstaltungen, unseren Kompaktkursen an Schulen sowie der Netzwerkarbeit des Europäischen Jugendparlaments – halten wir uns vor Augen, was ein Nichts-Tun, ein Stehenbleiben, eine politische Erstarrung meiner und der nachkommenden Generationen bedeuten kann.
Lassen Sie uns zusammen die Grenzen vor den unantastbaren Werten ziehen.