Glück heute?

Oder: Was ist im Leben eigentlich noch »privat«, was ist längst politisch? Kaum ein Begriff wirkt auf den ersten Blick so einfach und ist doch so schillernd: das Glück. Das eigene, persönliche Glück zu finden, ein rundum gelingendes Leben zu führen – all das war und ist für viele Menschen zentraler Ansporn für die eigene Biographie und im Austausch mit anderen. So war das und so wird das gewiss bleiben, oder?

 

Doch was passiert, wenn sicher geglaubte Rahmenbedingungen unerwartet an Stabilität verlieren. Wenn die Verlässlichkeit auf ein lebenswertes Klima, bezahlbare Mieten oder die Wahrung der individuellen Freiheitsrechte schwindet, wird es schwer, das eigene Glück zu finden. Darf man heute eigentlich noch nach dem privaten Glück streben, wenn weltweit Kriege toben, Millionen Menschen auf der Flucht sind, Tropenwälder niedergebrannt und Rassisten in Parlamente und Regierungen gewählt werden?

»Man weiß selten, was Glück ist. Aber man weiß meistens, was Glück war.« François Sagan, französische Schriftstellerin

Jeder versteht etwas anderes darunter, was das große und das kleine Glück im Leben ausmachen kann. Und gleichzeitig ist das Streben nach Glück, the pursuit of happiness, auch eine politische Kategorie – nicht nur in der amerikanischen Verfassung. Seit 2012 veröffentlicht beispielsweise die UNO den Weltglücksbericht, in dem die skandinavischen Länder meist überdurchschnittlich gut abschneiden. Im Königreich Bhutan wird seit einigen Jahren sogar das »Bruttonationalglück« gemessen.

Was das eigentlich mit Stiftungen zu tun hat? Jede Menge!

Die Berliner Stiftungsrunde hat sich ganz bewusst für dieses Schwerpunktthema der Stiftungswoche 2020 entschieden. Dabei geht es weder um eine zuckrige Glückwunschkarten-Ästhetik noch wollen wir Lebensratgeber oder Glücksfibeln erstellen. Die Plakatmotive zeigen dementsprechend auch keine Kleeblätter, Fliegenpilze und Schornsteinfeger. Es geht auch nicht um das Zufallsglück. Im Englischen ist es einfacher, hier zwischen luck und happiness zu unterscheiden. Im Deutschen haben wir mit dem Wort »Glück« nur einen Begriff, den es lohnt, ausführlicher zu beleuchten und in seinen verschiedenen Dimensionen für die Stiftungsarbeit aufzufächern: ideengeschichtlich, politisch, gesellschaftlich und individuell.