Kooperationsformate können im Stiftungssektor Synergien erzeugen, die sonst kaum denkbar wären. Die Berliner Stiftungswoche zeigt bereits seit 2010, wie große und kleine Stiftungen sowie die unterschiedlichsten Zielgruppen zusammengeführt und vernetzt werden können. Wie dies Jahr für Jahr gelingt, erläutert Janka Haverbeck, Sprecherin der Stiftungswoche, im Interview.
S&S: Die Stiftungswoche musste 2021 zum zweiten Mal in Folge wegen der Corona-Pandemie weitgehend digital stattfinden. Worin lagen denn die Unterschiede zum ersten »Corona-Jahr«?
J. Haverbeck: Im vergangenen Jahr hatten wir gerade mal vier Wochen Zeit, die Stiftungswoche ersatzweise digital stattfinden zu lassen. In der Kürze der Zeit konnten nur einige wenige Stiftungen reagieren und digitale Veranstaltungsformate anbieten. Die meisten Events wurden verschoben. Das darauffolgende weitere Pandemiegeschehen hat uns aber sehr deutlich gezeigt, dass wir für das Jahr 2021 anders planen müssen, um die Stiftungswoche überhaupt stattfinden zu lassen – und das ging nur mit digitalen Formaten. Insofern war der digitale Vorlauf 2020 sehr hilfreich.
S&S: Ohne Pandemie zählt die Stiftungswoche regelmäßig viele Besucher und Besucherinnen. Wie wurden die digitalen Angebote angenommen?
J. Haverbeck: Meiner Einschätzung nach wurden die Angebote sehr gut angenommen. Dank Monitoring-Tools konnten wir gut sehen, wie viele virtuelle »Besucherinnen und Besucher« die jeweiligen Veranstaltungen hatten. Dank Social Media-Vernetzung konnten wir die Veranstaltungen breit streuen, dadurch die Zielgruppen noch mal vergrößern und auch zielgruppengerecht ansprechen. Ich denke, es war für alle etwas dabei! Und sollte eine Veranstaltung nicht in den eigenen Zoom-Terminkalender gepasst haben, hat man die Möglichkeit, diese vielleicht noch auf der jeweiligen Stiftungsseite zu finden. Dort kann man sie auch nachträglich anschauen.
S&S: Und wie haben sich die Stiftungen digital fit gemacht?
J. Haverbeck: »Learning by doing« war hier das Zauberwort! Zumindest bei den Stiftungen, die in der Vergangenheit noch nicht digital unterwegs waren. Ein kleines Beispiel: Ich bin ehrenamtliches Kuratoriumsmitglied der Koepjohann’schen Stiftung, einer der ältesten Stiftungen in Berlin. Wir sind zwar digital unterwegs, aber da ist noch viel Luft nach oben. Jedes Jahr bieten wir unseren Stadtspaziergang mit dem Historiker Wolfgang Feyerabend an. Als klar war, dass wir den Spaziergang im April 2021 auf keinen Fall anbieten können, haben wir den Spaziergang kurzerhand ins Digitale verlegt. Jetzt kann man virtuell durch Berlin-Mitte spazieren und die Wirkungsstätten unseres Stifters Johann Friedrich Koepjohann von vor 230 Jahren verfolgen – und das ganz unabhängig von der Stiftungswoche auf unserer Webseite; und nächstes Jahr dann wieder hoffentlich gemeinsam mit unseren Gästen.
S&S: Das Schwerpunktthema »Eine Frage des Klimas« war sicher nicht ohne Hintergedanken gewählt. Was wollten die Macher der Stiftungswoche damit bezwecken?
J. Haverbeck: Das Schwerpunktthema ist immer mit einer gewissen Doppeldeutigkeit gewählt, damit sich auch die Stiftungen wiederfinden können, die nicht auf den ersten Blick damit etwas zu tun haben. Das diesjährige Thema hat da eine Vielzahl von Themen geboten. Sicher verbindet man damit sofort den menschengemachten Klimawandel. Wir meinten damit aber auch die Veränderungen, die wir im persönlichen Miteinander und auf vielen anderen Ebenen erleben. Somit haben wir einen großen Bogen für eine Vielzahl von Stiftungen gespannt, die darunter ihre ganz eigenen Stiftungsthemen subsumierbar machen konnten.
S&S: Und ist das Konzept Ihrer Meinung nach aufgegangen?
J. Haverbeck: Ganz sicher! Über 80 Stiftungen waren mutig und haben digital geplant. Wir waren alle zum Umdenken herausgefordert. Die Stiftungswoche lebt im Grunde von persönlichen Begegnungen, da waren wir gefordert und wir mussten das Persönliche ins Digitale transportieren. Da hat uns sicher auch das diesjährige Schwerpunkthema geholfen. Aber ich gebe zu, es war schon ein großes Unterfangen. Ich habe das Amt der Sprecherin der Stiftungswoche und Koordinatorin der Stiftungsrunde im September 2020 übernommen. Schnell war mir klar, dass der Vernetzungsgedanke im Fokus liegen muss. Aber nicht nur innerhalb unserer Stiftungsrunde, sondern auch mit Akteuren außerhalb dieses Kreises. So fand zuerst der telefonische Austausch statt, um dann digital weiterdenken zu können. Wichtig war mir auch, kleinere Stiftungen auf dem Schirm zu haben und ihnen Unterstützung mit anderen Stiftungspartnern anzubieten, ganz gleich ob Mitglied in der Stiftungsrunde oder auch nicht.
S&S: Nach dem Event ist meist schon wieder vor dem Event. Gibt es schon einen ersten Ausblick in das nächste Jahr, wenn die Stiftungswoche zum 13. Mal stattfinden wird?
J. Haverbeck: Ja, die Anspielung auf das alte Zitat von Sepp Herberger ist auch bei uns ein geflügeltes Wort: Nach der Stiftungswoche ist vor der Stiftungswoche. Durch unsere verschiedenen Gremien sind wir untereinander stets im Austausch und die Planungen für 2022 haben längst begonnen. Derzeit sind wir gerade in den Diskussionen zum Schwerpunkthema der nächsten Stiftungswoche. Auch wenn wir uns hier noch nicht final festgelegt haben, wurden von einigen Kollegen und Kolleginnen doch schon sehr interessante Impulse eingebracht. Ich bin mir sicher, auch das Thema der 13. Berliner Stiftungswoche wird wieder eine Punktlandung. Das Ziel ist wie in den Vorjahren, wieder ein Thema zu finden, zu dem sowohl die großen, international tätigen Stiftungen als auch die kleinen Nachbarschafts- und Kiezstiftungen etwas beitragen können. Gerade diese Spannbreite in der Stiftungslandschaft unterscheidet Berlin auch etwas von den klassischeren Stiftungsstädten. Berlin war vor dem Zweiten Weltkrieg die Hauptstadt der Stiftungen. Und mit heute mehr als 1.000 registrierten Stiftungen sind wir auch wieder auf einem guten Weg.
S&S: Was können andere Städte oder andere Regionen vom »Netzwerk Stiftungswoche« lernen?
J. Haverbeck: Man muss sich einfach immer bewusst machen, dass es um ein Vielfaches mehr Spaß, macht gemeinsam etwas zu gestalten. Auf den Stiftungssektor bezogen ist es im Grunde sehr einfach, denn Stiftungen verbinden mit ihrem Handeln stets die Maxime, Gutes zu tun. Gleichermaßen setzen Stiftungen immer wieder Impulse in Politik und Gesellschaft und das geht oft nur mit Partnern und im Miteinander. Wir sind uns schon sehr bewusst, dass sich mit der Berliner Stiftungsrunde in den letzten Jahren eine wertvolle und führende Plattform für Stiftungen entwickelt hat. Die knapp 30 Stiftungen, die in der Stiftungsrunde zusammenkommen, tragen die Stiftungswoche. Nur dadurch können wir mit unserer Geschäftsstelle die Stiftungswoche Jahr für Jahr in Eigenregie realisieren, wie wir das gemeinsam für richtig halten. Wenn also unser »Netzwerk Stiftungswoche« andere Stiftungen in Hamburg, München oder anderswo inspiriert, ähnliche Kooperationsformate auf den Weg zu bringen, freut uns das sehr.
S&S: Wie lautet Ihr persönliches Resümee nach fast einem Jahr in Ihrer Funktion als Sprecherin der Stiftungswoche?
J. Haverbeck: Ich bin sehr dankbar. In erster Linie über das Vertrauen meiner Stiftungskolleginnen, die mich dieses Amt ausführen lassen. Wir haben ein wunderbares Miteinander untereinander und führen einen stets konstruktiven Austausch. Ich sehe noch viele Potenziale innerhalb und außerhalb dieser Runde, so dass ich mich sehr freue, wenn ich da noch den ein oder anderen Impuls setzen kann.
S&S: Wagen Sie eine Prognose für die 13. Stiftungswoche?
J. Haverbeck: Ich freue mich bereits jetzt auf den April 2022, insbesondere auf hoffentlich viele Veranstaltungen mit Publikum und zahlreichen persönlichen Begegnungen. Wir sind mit einigen Stiftungen im Austausch, um sie als Mitglied für unsere Stiftungsrunde zu gewinnen. Wir wollen wachsen. Denn wir sind davon überzeugt, dass wir mit unserer Plattform etwas ganz Besonderes für die Zivilgesellschafft bieten. Und damit meine ich nicht nur die Möglichkeiten für die Stiftungen, auf ihr Tun aufmerksam machen zu können, sondern auch, dass Menschen ein Gefühl für Engagement bekommen und somit vielleicht der Impuls entsteht, sich selbst zu engagieren. Auch 2022 wollen wir wieder Engagement sichtbar machen.