Herr Olbricht, Sie sammeln Kunst, historische Fundstücke und naturwissenschaftliche Objekte. Und Sie sind ein Stifter. Warum haben Sie für Ihre Sammlung die Rechtsform der Stiftung gewählt?
Wenn eine Sammlung über den privaten Rahmen hinauswächst, beginnt man zu überlegen, wie kann das, was man zusammengetragen hat, auch später einmal fortbestehen und sogar weiterentwickelt werden. Da kam sehr schnell der Gedanke, eine Stiftung zu gründen. Auch wenn der Anstoß zur Sammlung und wie sie heute präsentiert wird, von mir stammt, soll sich die Sammlung Olbricht von der Privatperson Olbricht loslösen. Und dafür habe ich die Stiftung aufgebaut.
Viele Kunstsammler denken vor allem an das eigene Ego. Warum sind Sie den Weg gegangen, Ihre Sammlung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen?
Ich gebe zu, als ich im Kindesalter mit dem Sammeln von Briefmarken begonnen habe, war mir noch nicht klar, dass ich das später mal alles ausstellen werde … Nach den Briefmarken und Spielzeugautos kam später die Kunst dazu. Als dann immer häufiger Anfragen von Museen aus Europa und der ganzen Welt kamen, einzelne Werke für Sonderausstellungen auszuleihen, nahm das Ganze Fahrt auf. Beim Verleihen einzelner Werke wird nie der Sammlungskontext deutlich. So reifte bei mir die Idee, die Sammlung doch komplett zeigen zu wollen.
Das Haus trägt den Namen »me«. Bestimmt fragen viele, ob Ihr eigenes »Ich« damit gemeint ist…
Ja, aber ganz so egozentrisch ist der Name nicht gemeint: »me« steht als Abkürzung für »moving energies«, inspiriert von der zeitgenössischen Kunst, die sich eben permanent weiterbewegt und auch weiterentwickelt.
Sie stammen aus dem Ruhrgebiet, leben in Essen. Aber Sie haben sich für Berlin entschieden, um Ihre Sammlung zu zeigen...
Als kleine Stiftung können wir keine teure Werbung machen, um die Menschen zu uns zu bringen. Also wollte ich die Kunst zu den Menschen bringen. An einen Ort mit internationalem Austausch. Somit ganz klar: Berlin, die internationalste Stadt in Deutschland.
Und Sie haben sich gegen Nordrhein-Westfalen entschieden?
Ich bin auch dort gut vernetzt, etwa mit dem Museum Folkwang in Essen und der neuen Folkwang Stiftung. In der Kunststiftung NRW bin ich inzwischen sogar das dienstälteste Kuratoriumsmitglied, habe dort eine Reihe von Ministerpräsidenten »überlebt« … Aber bei der Entscheidung für Berlin hat auch der Regierende Bürgermeister Wowereit eine Rolle gespielt. Er hat mir klipp und klar gesagt, er fände es toll, wenn wir nach Berlin kämen. Aber er hätte kein Geld, mich zu unterstützen. Diese Direktheit hat mir imponiert.
Im »Hauptberuf« sind Sie Arzt, haben eine Professur für Innere Medizin. In Ihrer Sammlung finden sich auch viele naturwissenschaftliche Objekte. Gibt es hier einen engen Zusammenhang?
Das habe ich auch schon häufiger über mich gelesen, aber es stimmt nicht. Die Sammlung ist unabhängig von meinem Beruf als Internist und Endokrinologe entstanden. Und speziell die Objekte, die in der Wunderkammer ausgestellt sind, kamen erst in den letzten 10 bis 15 Jahren zusammen. Ich bin heute 65 Jahre, also deutlich in der zweiten Lebenshälfte: Die Objekte in der Wunderkammer haben eher mit dem Alter und dem Älterwerden zu tun. Die Totenköpfe dort sind weniger anatomische Schaustücke, sondern stehen symbolisch für das ›memento mori‹, also für unsere Vergänglichkeit, unsere Sterblichkeit.
Eine schwierig Frage für jeden Sammler: Angenommen, Sie könnten nur drei Objekte auf eine einsame Insel mitnehmen. Was würden Sie auswählen?
(lacht) Sie meinen abgesehen von meiner Familie? Bilder würde ich wohl nicht mitnehmen, stattdessen Objekte aus der Wunderkammer: einen speziellen Handschmeichler als ›memento mori‹. Das ist ein Januskopf, der zeigt, wie man früher war und wie man heute ist. Und ich würde unser Gürteltier mitnehmen, falls es keine lebenden Gürteltiere auf der Insel gibt. Zuletzt noch eine der schönen, alten Uhren. Damit man erkennt, wie viel Zeit man noch hat … Aber: Ich habe eigentlich keine Lieblingsobjekte, ich bin verliebt in die ganze Sammlung.
Ihr Gebäude in der Auguststraße präsentiert sich eher untypisch. Von außen sieht man nur das Café, und erst durch das Café gelangt man zur Sammlung, also ein Weg mit möglichst geringer Hemmschwelle zur Kunst…
Genau das war die Idee: Wir wollen die Menschen einfangen, die vorbeikommen. Ohne museale Hürde, ohne Kassentresen gleich als Barriere am Eingang. Und wer »nur« zum Kaffeetrinken zu uns kommt, ist auch herzlich willkommen. Wir leben in der Kunst: Bei uns lassen sich Dinge mischen, die in einem öffentlichen Museum undenkbar wären. Wir verstehen uns als Labor – mit Experimenten, mit Musik, mit Düften, um alle Sinne anzusprechen. Unsere Gesellschaft wird immer abstrakter und digitaler. Gerade in unseren Programmen für Kinder und Jugendliche setzen wir dem bewusst das Dingliche entgegen. Bei uns dürfen Kinder auch bestimmte Exponate anfassen oder nachbauen. Und dann spüre ich: Wir sind angekommen. Das würde man als Einzelner nicht schaffen. Deshalb ist auch die Stiftung so wichtig, um das Ganze zu ermöglichen. Auch über den Tag hinaus.
Weitere Informationen:
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