Du arbeitest seit 2019 für die Open Society Foundations. Was waren Deine Motive, eine Stelle bei dieser weltweit agierenden Stiftungsgruppe anzunehmen?
Wenn man auf meine berufliche und auch auf meine persönliche Biografie schaut, ist nahezu jeder Punkt eine Überschneidung mit den Zielen der Open Society. Die Open Society Foundations sind mir das erste Mal während der Finanzkrise 2007 aufgefallen. Damals unterstützte George Soros die Arbeit von Human Rights Watch, damit diese Organisation ihr wichtiges Mandat weiter ausführen kann, nämlich Verantwortliche für Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft zu ziehen. 2009 wurde für medica mondiale eine Studie zur Bedeutung internationaler Gerichtsprozesse, den Umgang mit Überlebenden und die strafrechtliche Verfolgung von sexualisierter Gewalt während des Krieges im ehemaligen Jugoslawien veröffentlicht, die ebenfalls von der Open Society gefördert wurde.[1] Außerdem haben sie es möglich gemacht, dass medica mondiale zwölf Zeuginnen für Kriegsvergewaltigung nach Den Haag begleiten und unterstützen konnten.
Welche Hauptthemen umfasst Deine persönliche Mission?
Ich stehe für Menschenrechte, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, soziale Gerechtigkeit und Antidiskriminierung ein und will auch anderen dabei helfen, ihre Kräfte zu nutzen und sich zu engagieren…
… und die Rechte der Frauen nicht zu vergessen!
Genau. Ich habe früher in Kriegs- und Krisengebieten für medica mondiale in der Vernetzung von Friedensaktivistinnen gewirkt. Wenn Du siehst, was Frauen in bewaffneten Konflikten angetan wird, und wie groß trotz allem – oder gerade deswegen – ihr Mut ist, sich mit mächtigen Männern anzulegen, dann lässt dich das nie wieder los. Darum ist Feministische Außenpolitik von unten ein Herzensthema für mich. Ich war seinerzeit im Frauensicherheitsrat für die UN-Resolution 1325 für Frauen, Frieden und Sicherheit aktiv. Und ich setze mich auch weiterhin dafür ein, das Konzept der ‚Menschlichen Sicherheit‘ in den Fokus der Außen- und Sicherheitspolitik zu rücken und wir unterstützen zum Beispiel das Centre for Feminist Foreign Policy, welches diese Forderung auch in die Münchner Sicherheitskonferenz getragen hat.
Wie hat Corona sich auf deine Arbeit ausgewirkt?
Wir mussten wie alle auf digitale Formate umsteigen. Für uns war das relativ einfach, denn wir arbeiteten schon vor Corona viel digital, denn wir sind ja international aufgestellt. Für unsere kleineren und mittleren Partner war es machmal schwierig. Wir haben unbürokratisch Förderungen vergeben, mit denen diese Organisationen ihr Geschäftsmodell anpassen und ihre Arbeit fortsetzen konnten. Die Zivilgesellschaft hatte mit undurchsichtigen Antragsstrukturen und schwer zugänglichen Informationen zu kämpfen und musste sich teilweise neu erfinden. Das kostet Zeit und Ressourcen, die viele oft im Alltagsgeschäft nicht haben. Wir sind mitten in einer globalen Umstrukturierung. Stiftungen und Organisationen brauchen Geld, damit sie sich anpassen und umstellen können auf eine neue Zeit mit Pandemie, mit Klimaschutz, Nachhaltigkeit und Konflikten. Die Herausforderungen bleiben, ich denke, wir müssen uns leider an die Krise als Dauerzustand gewöhnen. Diese Belastung zu schultern und zugleich die Organisationen der Zivilgesellschaft zukunftsfest aufzustellen, dazu braucht man Mittel, Zeit und langen Atem.
Neben der Stärkung der Zivilgesellschaft liegt Dir das Thema Afghanistan besonders am Herzen.
Ich weiß, wie es ist, sich dort als Frau zu bewegen und was die Frauen dort bewegt. Ja, ich habe lange Jahre zu und in Afghanistan gearbeitet. Dadurch hatte ich eine ziemlich genaue Vorstellung von dem, was in dem Land gerade vor sich ging. Als ich sah, dass meine ehemaligen Kolleginnen von medica mondiale, Frauenrechtsaktivistinnen mit ihren Kindern, am Tag des Anschlags auf den Kabuler Flughafen nicht ausgeflogen wurden, war ich verzweifelt. Das hat mich in meinem Glauben an Deutschland, als bisher glaubwürdigen Vertreter der Menschenrechte in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit, tief erschüttert. Ganze Berufsstände, wie zum Beispiel Richter*innen und Staatsanwält*innen waren nicht auf den Evakuierungslisten, weil sie unter dem Radar der Öffentlichkeit ihren Job gemacht haben, um einen Rechtsstaat zu etablieren. Damit sind sie per se Feinde der Taliban. Ohne Afghan*innen wäre der Wandel vor Ort gar nicht möglich. Im Stich gelassen setzt man sie einer großen Lebensgefahr aus. Das darf nicht unser Anspruch sein und das fällt irgendwann auf uns zurück.
Welches Vorgehen hättest Du Dir gewünscht?
Einfach Menschen helfen, wie jetzt bei der Ukraine. Obwohl wir im Fall der Ukraine auch Diskriminierung an den Grenzen beobachten, wie uns unsere Partneroranisationen berichten. Aber wir sehen, dass es geht. Das sollte auch unser Anspruch mit Blick auf Afghanistan sein. Es ist immer noch die Aufgabe der Regierung, Menschen, die in Afghanistan eng mit uns zusammengearbeitet haben, zu helfen. Durch unsere Förderung des Verbands Afghanischer Organisationen (VAFO), sorgen wir dafür, dass diese Interessen auch weiterhin vertreten werden. Nach wie vor sind es zivile Organisationen wie sie, die täglich Ortskräfte und Geflüchtete unterstützen. Sie machen Spendenaufrufe über betterplace, um Geld für Pässe, für Reisekosten, für Sicherheitskosten vor Ort zu sammeln oder damit die Leute erst einmal nach Pakistan ausreisen können. Es bewegt mich zu sehen, dass die Geflüchteten von Gestern die Helfer*innen von heute sind. Wir sehen viele Afghan*innen, die Ukrainer*innen jetzt ohne Wenn und Aber helfen. Und mich bewegt, dass die Seenotretter-Organisationen sich ebenfalls an der Rettung von Zivilist*innen aus der Ukraine beteiligen. Hier können auch große Stiftungen jetzt helfen, indem sie jene zivilgesellschaftlichen Bündnisse unterstützen, die diskriminierungslos helfen und dadurch zugleich der wachsenden Polarisierung hier und global entgegenarbeiten.
Was wünschst Du Dir konkret von der deutschen Stiftungslandschaft?
Wenn ich auf die deutsche Stiftungslandschaft schaue, wünsche ich mir ein politischeres Verständnis unserer Arbeit. Denn sich unpolitisch oder neutral zu geben, ist auch politisch. Es ist sehr wichtig, dass wir uns mindestens europäisch vernetzen und rechtlich bessere Bedingungen für grenzübergreifendes Stiften schaffen. Gerade jetzt beim Angriffskrieg gegen die Ukraine sehen wir, wie wichtig es ist, als Zivilgesellschaft international handlungsfähig zu sein, um das Leid der Menschen zu mindern und Frieden zu schaffen. Stiftungen sollten kleine und mittleren Organisationen stärker unterstützen, die unsere Demokratie und unsere Werte für uns und nachkommende Generationen verteidigen. Ihre Arbeit ist essenziell, denn nur durch die Beteiligung von Menschen an Politikentscheidungen und durch klare Werte als Orientierungsrahmen können wir Lösungen in einer von Unsicherheit, Ungleichheit, Klimakrise und Polarisierung geprägten Zeit erarbeiten.