Die Bildhauerin Franziska Seifert vergibt mit der Cordts Art Foundation Arbeitsstipendien – nur an Frauen und unabhängig von Alter und Herkunft. Zwei bis zehn Monate leben und arbeiten die Künstlerinnen auf der Berliner Insel Schwanenwerder. Am Ende präsentieren sie ihre Kunst in einer Ausstellung, Lesung oder einem Konzert.
Vor der Cordts Art Foundation gab es bereits die Tim & Franziska-Cordts-Stiftung. Was ist deren Anliegen?
Die grundlegenden Zwecke der Familienstiftung sind die Förderung der Kunst und des kulturellen Lebens und die Verantwortung gegenüber unseren Mitarbeitern. Wir versuchen das alles auch ein wenig miteinander zu verknüpfen, so haben wir in unserem Unternehmen eine Galerieetage, in der wir Ausstellungen machen. Es ist uns sehr wichtig, unseren Mitarbeitern etwas zurückzugeben und so haben wir uns entschieden, dass ein Teil des Firmenvermögens in diese Stiftung fließen soll. Wir wollen unseren Mitarbeitern zum Beispiel mit einer Rentenunterstützung etwas zurückgeben und es gibt Regelungen, die die Beschäftigten am Unternehmen beteiligt und ihnen auf verschiedenen Ebenen ein Mitbestimmungsrecht einräumt. Wir unterstützen unsere Mitarbeiter aber zum Beispiel auch bei der Übernahme von Psychotherapie- oder Anwaltskosten. Auch über den Tod eines Mitarbeiters hinaus, bieten wir den Witwen die Unterstützung der Stiftung an.
Was hat Sie dazu bewogen, eine zweite Stiftung zu gründen?
Meine Mutter ist letztes Jahr hier in ihrem Haus auf Schwanenwerder gestorben. Ein Verkauf des Grundstücks war für uns keine Option – zu viele Kindheitserinnerungen sind mit diesem Fleckchen Erde verbunden. Es kam die Idee auf, hier etwas zu schaffen, mit dem ich meinem Innersten nachgeben kann, nämlich Künstlerinnen jeden Alters, jeder Herkunft und aller Genres zu fördern. Die allermeisten Arbeitsstipendien in Künstlerresidenzen haben sehr strenge Altersgrenzen und können nur allein bezogen werden. Viele Orte öffnen sich für Angehörige und den Nachwuchs, aber dementsprechend schwierig ist es, in diese Programme aufgenommen zu werden. Diesen Druck habe ich als Künstlerin oft gespürt, daher freut es mich umso mehr, hier etwas Bleibendes zu schaffen und ein weltweites Netzwerk für Künstlerinnen anzustoßen. Wir sollten nicht gegeneinander, sondern miteinander arbeiten.
Sie sagten, es sollen alle Genres gefördert werden. Gibt es etwas, das an diesem Ort auf Schwanenwerder nicht realisiert werden könnte?
Die ersten Künstlerinnen sind Bildende Künstlerinnen. Die Bildhauerin Monika Müller-Klug, deren Ausstellung im Frühjahr und Sommer zu sehen sein wird, ist auch eine wundervolle Poetin. Ich würde das Atelierhaus gern auch den Darstellenden Künsten zur Verfügung stellen oder Komponistinnen. Lediglich bei angewandter Kunst oder Design, die schließlich in einem rein kommerziellen Zweck mündet, möchte ich gern eine Grenze ziehen. Aber abgesehen davon sind wir für alles offen.
Der Garten ist so schön und bietet sicherlich noch weitere Möglichkeiten.
Er ist klein, aber fein. Man könnte hier eine kleine Holzbühne aufbauen oder auch irgendwas auf dem Wasser machen. Es gibt mit Sicherheit viele Dinge, an die ich noch nicht gedacht habe, die man aber umsetzen kann. Nur meine eigene Kunst kann ich hier nicht realisieren – da hab ich mich an viel Platz gewöhnt und ein Halle für die Skulpturen und Materialien bei Hamburg.
Haben Sie schon viele Zuschriften und Bewerbungen erhalten?
Ja, das Interesse ist überwältigend. Auch als die Website noch gar nicht online war, haben wir schon viele Anfragen erhalten – von russischen, polnischen, italienischen und chinesischen Künstlerinnen.
Was meinen Sie, woher die Lust auf Berlin kommt?
Berlin ist ganz anders als zum Beispiel Hamburg, das konservativer und gesetzter ist. Berlin ist spannend; es ist ärmer, es ist bedürftiger, aber auch viel aufregender. Die Künstlerinnen wollen die Kreativität der Stadt aufsaugen, sich inspirieren und mitreißen lassen. In Verbindung mit dem Atelierhaus ist das perfekt: in dieser ruhigen Atmosphäre kann man die vielen Eindrücke verarbeiten, konkrete Ideen entwickeln und umsetzen. Außerdem sind wir hier in einem ganz besonderen Kleinod. Auch wenn die Nachbarschaft anonym wirkt, freuen sie sich über die Öffnung des Hauses und sind sehr interessiert an allem Neuen.
Sie selber wollten nie nach Berlin ziehen?
Ich mag Berlin, es ist schön schräg. Und ich verbinde natürlich viele gute Erinnerungen mit der Stadt und ganz besonders mit dem Haus auf Schwanenwerder, aber ich bin in Hamburg und im Norden mittlerweile sehr verwurzelt. Dort habe ich auch mein eigenes Atelier und kann an großen Projekten arbeiten – das ginge hier nicht. Und letztendlich befindet sich der Stiftungssitz in Hamburg.
Hat Berlin Sie und Ihre Stiftung gut aufgenommen?
Ja, auf jeden Fall. Bei der ersten Eröffnung in dem Haus standen auf einmal 300 Leute vor der Tür. Und es fällt auf, dass Berlin in den letzten Jahren an seiner Stiftungslandschaft gearbeitet hat – alle sind uns sehr zugewandt.
Was steht denn als nächstes für die Stiftung an?
Demnächst zieht die schon erwähnte Künstlerin und Poetin Monika Müller-Klug in das Atelierhaus. Die Eröffnung ihrer Ausstellung, die gleichzeitig krönender Abschluss des Arbeitsstipendiums hier ist, wird während der Stiftungswoche stattfinden. Danach wird die indonesische Künstlerin Putu Sridiniari* hier leben und arbeiten. Und dann liegen bereits etliche Portfolios von Künstlerinnen auf meinem Schreibtisch, die sich für 2021 um ein Stipendium bewerben. Außerdem wollen wir das Haus noch weiter ausbauen und weiter modernisieren. Sie sehen also, die Aufgaben sind mannigfaltig. Aber wir freuen uns auf jede einzelne!
www.women-artists-in-residence.berlin
*Aufgrund der Corona-Pandemie kann die Künstlerin das Arbeitsstipendium vorerst nicht antreten, wird aber im Frühjahr 2021 nach Berlin kommen. Bis dahin wird die Schriftstellerin und Künstlerin Gabriele Stötzer in dem Atelierhaus auf Schwanenwerder arbeiten.
Das Interview wurde im Sommer 2019 geführt.