Vulkanasche legt den Flugverkehr lahm, das DFB-Team wird bei der WM in Südafrika Dritter, eine junge Frau aus Hannover gewinnt den Eurovision Song Contest – drei Ereignisse aus dem Jahr 2010, die heute vielleicht noch im Gedächtnis sind. Im selben Jahr fand auch die erste Berliner Stiftungswoche statt. Im April 2024 gab es nun bereits die 15. Ausgabe - und dabei wurden die Weichen neu gestellt: mit der Gründung des Berliner Stiftungen e.V.
Einige Fakten zu Beginn: Über 350 Stiftungen haben seit 2010 mindestens einmal an der Berliner Stiftungswoche teilgenommen, ihre Arbeit gegenüber der Öffentlichkeit vorgestellt und im Laufe von elf Tagen andere Stiftungen kennengelernt. Mit 125 Stiftungen verzeichnete die Stiftungswoche 2014 mit dem Schwerpunktthema „Vom Leben in der Stadt“ die höchste Zahl an teilnehmenden Institutionen. Und trotz der Corona-Pandemie konnte die Stiftungswoche trotz aller Schwierigkeiten in jedem Jahr durchgeführt werden.
Aspekte des Erfolgs
Mit Fug und Recht darf man diese 15 Jahre als Erfolgsgeschichte bezeichnen und wer die Erfolgsfaktoren genauer untersuchen wollte, käme vielleicht auf drei Aspekte, die maßgeblich zum Gelingen beigetragen haben:
Die Basis für alles war und ist das Engagement der Stiftungen, die sich 2008 als Berliner Stiftungsrunde zusammengefunden haben und zwei Jahre später die erste Stiftungswoche an den Start gebracht haben. Federführend waren damals die Stiftung Zukunft Berlin und der Bundesverband Deutscher Stiftungen. Die Stiftungsrunde wuchs von anfangs rund 20 später auf über 30 Mitglieder an, die im Laufe der eineinhalb Jahrzehnte durch ihr mäzenatisches Wirken und ihr besonderes, personelles Engagement die finanzielle Grundlage für die Berliner Stiftungswoche gelegt haben. (…)
Die zweite Voraussetzung für eine stabile Aufbau- und Etablierungsphase war sicherlich die Gründung einer gemeinnützigen GmbH, in deren Hände die Planung, Organisation und Durchführung der Berliner Stiftungswoche gelegt wurde. Durch die robusten Governance-Strukturen und eine profunde Kommunikationsarbeit wurde die jährliche Durchführung der Berliner Stiftungswoche gewährleistet. Dabei wurde „die BSW“ auch zu einer echten Marke innerhalb der Berliner Zivilgesellschaft und darüber hinaus geformt, wie dies ähnliche gestaltete Formate in anderen Städten, die in den Folgejahren entwickelt wurden, hinlänglich bestätigen. (…)
Als dritter Faktor ließe sich die programmatische Schärfung der Stiftungswoche als Marke nennen. In die Festlegung des jährlichen Schwerpunktthemas und in die Entwicklung der dazugehörigen Kampagnensprache haben die Verantwortlichen jeweils viel Arbeit investiert. So wie Stiftungen oft als Seismografen für bestimmte gesellschaftliche Entwicklungen fungieren, konnten auch die Schwerpunktthemen der BSW häufig zu einem frühen Zeitpunkt den Blick auf brisante Problemfelder lenken und wichtige Debatten anstoßen. So konnte der Spagat gelingen, jedes Jahr einerseits verlässlich die gut bekannte Stiftungswoche durchzuführen und andererseits dennoch stets neue Farbtupfer zu setzen, um das Programm abwechslungsreich zu gestalten.
Einblick in die Themenwerkstatt
Ein Exkurs zu einigen ausgewählten, zurückliegenden Schwerpunktthemen soll einen kurzen Einblick in die programmatische Arbeit des Stiftungswochen-Teams geben: Das Phänomen der gesellschaftlichen Spaltung, das aktuell politisch und medial zurecht eine hohe Aufmerksamkeit genießt, war bereits 2017 das Thema der 8. Berliner Stiftungswoche in der Formulierung: „Was uns zusammenhält“. In Reaktion auf die Aufnahme vieler Geflüchteter in den Jahren 2015 und 2016 wurde mehrfach die Erwartung an die Stiftungswochen-Macher herangetragen, dass „die BSW doch jetzt sicherlich auch etwas zum Flüchtlingsthema“ mache. Als Schwerpunktthema der 7. Berliner Stiftungswoche im Jahr 2016 wurde das Motto „Von der Würde des Menschen“ entwickelt und somit ein universellerer Kontext hergestellt. Heute wird viel über Einsamkeit diskutiert – nicht zuletzt als gesellschaftliches Erbe der Corona-Jahre. Die Stiftungswoche hatte dieses Phänomen bereits unter einem früheren Schwerpunktthema subsumiert, als die Frage „Glück heute?“ gestellt wurde. So lautete das Thema für das Jahr 2020, als pandemiebedingt vier Wochen vor dem Start der BSW die Präsenzveranstaltungen abgesagt werden mussten und vieles nur online stattfinden konnte. Immerhin wusste dann jeder die Frage nach seinem „Glück heute“ zu beantworten – ein Leben ohne Lockdown und ohne Einschränkungen im gesellschaftlichen Miteinander …
Kontinuität und Veränderung
Dank der Kombination aus Stabilität und Offenheit hat sich die Berliner Stiftungswoche gut etabliert und besitzt heute einen festen Platz im Berliner Jahreskalender: Im April ist Stiftungswoche. Wieso also etwas ändern, wenn die Rahmenbedingungen gut funktionieren? Weil sich die Welt verändert hat.
Nicht nur die Zahl der Stiftungen ist im Land Berlin in den vergangenen eineinhalb Jahrzehnten massiv gestiegen – von rund 700 auf gut über 1.000 Stiftungen heute. Die gesamte Zivilgesellschaft ist vielgestaltiger und stärker an Interaktion interessiert als dies etwa 2010 noch der Fall war. Viele Influencer erreichen heute als Aktivisten über Social Media weitaus größere Zielgruppen als so manche kapitalstarke Großstiftung mit Pressekonferenzen und Jahresberichten. Die Herausforderungen im Zeitalter der sich gleichzeitig überlagernden Mega-Krisen erfordern schnelleres und oft eher situatives Agieren. So werden themenzentrierte Ad-hoc-Bündnisse, wie zum Beispiel die viel beachtete Aktion „Wir sind die Brandmauer“ im Februar 2024, in kurzer Zeit verabredet. Diesem Bündnis aus über 2.000 zivilgesellschaftlichen Institutionen haben sich auch die Berliner Stiftungsrunde und die Berliner Stiftungswoche gGmbH angeschlossen.
Viele wichtige Impulse gehen heute von jüngeren und kleineren Stiftungen aus, die sich als NGO begreifen und entsprechend wendig agieren. Um all diese Akteure besser einzubinden und die Gesamtkonstruktion Stiftungswoche weiterhin attraktiv und dynamisch weiterzuentwickeln, setzte sich seit 2022 in den Gremien der BSW zunehmend die Erkenntnis durch, einen Verein zu gründen, um darin die Berliner Stiftungsrunde aufgehen zu lassen und später auch die Aufgaben der Berliner Stiftungswoche gGmbH sukzessive an den Verein zu übergeben.
Die Aufgaben der Zivilgesellschaft sind in den vergangenen Jahren nicht kleiner geworden: Die Bedrohung demokratischer Strukturen durch Rechtsextremisten, die fragile Sicherheitslage in Europa seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, die zunehmende Entfremdung innerhalb der Gesellschaft und zugleich der nahezu unaufhaltsame Klimawandel, der alles überlagert. Diese Beispiele zeigen, zu welchen Themen gerade Stiftungen gefragt sind; unabhängig davon, ob es um konkretes Anpacken vor Ort, ihre Expertise in der Beratung politischer Institutionen oder die Finanzierung von Wissenschaft, Kultur und Bildung geht.
Nach entsprechender Vorbereitung wurde der Berliner Stiftungen e.V. am 17. April 2024 gegründet. Er soll die Stiftungsgemeinschaft in Berlin noch weiter stärken und das Gemeinwohl in der Stadt fördern. „Wir wollen noch viel mehr Stiftungen als bisher eine niedrigschwellige Möglichkeit bieten, aktiv an der Gestaltung der Stiftungswoche und am Aufbau eines starken Netzwerks mitzuwirken“, fasst Dr. Anna Kraftsoff, Vorsitzende des Vereinsvorstands, zusammen. „Wir hoffen, dass viele von ihnen unserem Verein beitreten. Vielleicht wird Berlin dann wieder das, was es einmal war: eine Stadt der Stiftungen.“ In Zeiten, in denen sich so viel verändert, ist dies doch eine überzeugende, positiv stimmende Perspektive.
Kurz & Knapp: Die Berliner Stiftungswoche ändert nach 15 Jahren ihre Strukturen. Die Berliner Stiftungsrunde als Trägerorgan geht im neu gegründeten Berliner Stiftungen e.V. auf. Die Berliner Stiftungswoche gGmbH wird sukzessive Aufgaben an den Verein abgeben – zur Konzeption, Planung, Organisation und Durchführung der jährlichen Berliner Stiftungswoche.
Stefan Engelniederhammer
(Gekürzte Fassung; Erstveröffentlichung in Stiftung & Sponsoring.
Das Magazin für Nonprofit-Management und -Marketing, 04/24)
Drei Plakatmotive aus den zurückliegenden Jahren: Die Schwerpunktthemen stehen im Mittelpunkt der Marketingmaßnahmen