»Ein europäischer Binnenmarkt für Philanthropie«

Anfang September 2020 hat Kirsten Hommelhoff ihr Amt als Generalsekretärin des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen angetreten. Nach nicht ganz 100 Tagen hat die Stiftungswoche mit ihr via Zoom gesprochen – über das Arbeiten unter Corona-Bedingungen, die aktuelle Stiftungsrechtsreform und den Lobbyismus für die gute Sache.

 

Im Gespräch mit Kirsten Hommelhoff, Generalsekretärin des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen

 

 

Sie sind nun seit gut zwei Monaten Generalsekretärin des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen, nachdem Sie zuvor viele Jahre für die Stiftung Mercator gearbeitet haben. Was hat Sie gereizt, von der Arbeit in einer Stiftung zur Verbandsarbeit für Stiftungen zu wechseln?

Nach vielen Jahren Arbeit für eine große deutsche Stiftung hat mich insbesondere die große Vielfalt im Bundesverband gereizt. Wir arbeiten im Verband für eine große Zahl von Stiftungen, die im Hinblick auf Größe, Rechtsform, Stiftungszweck und Arbeitsweise, um nur einige Punkte zu nennen, äußerst unterschiedlich sind. Gerade die vielen kleineren Stiftungen, die ich nun besser kennenlerne, bestätigen diese wunderbare Vielfalt.

 

Ihr Amtsantritt fiel auch in die Zeit der Corona-Pandemie. Wie organisiert der Bundesverband seine Arbeit unter diesen Bedingungen?

Das ist natürlich für uns alle die Herausforderung schlechthin im Jahr 2020. Gerne hätte ich bei einem Amtsantritt in „normalen Zeiten“ damit begonnen, alle unsere rund 4.500 Mitglieder der Reihe nach zu besuchen; zumindest soweit das zeitlich und logistisch möglich wäre. Aber mitten in einer Pandemie geht das natürlich nicht einmal ansatzweise. Deshalb nutze ich für das Kennenlernen digitale Formate, so wie wir auch gerade unser Gespräch über Zoom führen. Generell erinnert mich die Ausnahmesituation dieser Pandemie an das Jahr 2015, als in kurzer Zeit sehr viele geflohene Menschen zu uns ins Land kamen. Damals war schnell zu erkennen, dass Stiftungen ein echter Motor in Krisenzeiten sind. Stiftungen können schnell reagieren, flexibel vorangehen und neue Kooperationen schaffen. Das erlebe ganz ähnlich in Corona-Zeiten, wenn Stiftungen kurzfristig helfen und ein unglaubliches ehrenamtliches Engagement mobilisieren. Dadurch geben sie auch wichtige Impulse in Richtung Politik und Wirtschaft.

 

Und wie erleben Sie die Arbeit Ihres Teams im Bundesverband?

Alle Bereiche gehen extrem professionell mit den Herausforderungen um. Der Bundesverband hat bereits im März mit einer Informationsoffensive begonnen. Dank einer eigenen Unterseite unserer Website waren stets aktuelle Informationen für Stiftungen verfügbar. Das haben wir so beibehalten. Darüber hinaus haben wir mit Blick auf unsere Mitglieder eine Panelbefragung gestartet, um die Auswirkungen von Corona auf die Stiftungsarbeit noch genauer einschätzen und in der Beratung der Stiftungen noch besser darauf reagieren zu können. Gerade in der Gremienarbeit und in der täglichen Projektarbeit ergeben sich für Stiftungen viele Probleme, nachdem in den zurückliegenden Jahren die Niedrigzinsphase schon schwierig genug war. Das sind wir als Bundesverband gefordert.

 

Als Generalsekretärin des Bundesverbandes sind Sie auch gleichzeitig in vorderster Linie Lobbyistin für die Stiftungen in Deutschland. Welche Ziele haben Sie sich auf politischer Ebene gesetzt?

Das ist eine der Kernaufgaben, die ganz oben auf meiner Agenda steht. Diese Lobbyarbeit führt mich ein bisschen zu meinen beruflichen Wurzeln zurück. Ich habe einige Jahre als Büroleiterin eines Bundestagsabgeordneten gearbeitet, ehe ich später auf Stiftungsseite für die politische Kommunikation zuständig war. Aktuell steht natürlich die Stiftungsrechtsreform im Fokus. Wir setzen alles daran, ein moderneres und flexibleres Stiftungsrecht zu bekommen. Nach Durchsicht des Referentenentwurfs des Bundesjustizministeriums hat sich für uns gezeigt, dass der bisherige Entwurf das Ziel noch nicht erreicht hat. Ein weiteres Thema auf Bundesebene ist im Moment die Reform des Gemeinnützigkeitsrechts, die im Rahmen des Jahressteuergesetzes auf der politischen Agenda steht. Auch hier setzen wir uns natürlich für die Interessen unserer Mitglieder ein.

 

Und wo sehen Sie Ihre Arbeit im internationalen Kontext?

Wir sind als Bundesverband auch auf europäischer Ebene als Interessenvertretung unserer Stiftungen unterwegs. Dort arbeiten wir eng mit dem Dachverband DAFNE und dem European Foundation Center in Brüssel zusammen. Gemeinsam setzen wir uns für ein europäisches Manifest der Philanthropie ein. Unser Ziel ist ein europäischer Binnenmarkt für Philanthropie, um das grenzüberschreitende stifterische und zivilgesellschaftliche Wirken in Europa zu vereinfachen. Dieses Ziel ist enorm wichtig für die Zivilgesellschaft in ganz Europa.

 

Von der europäischen zur regionalen Ebene: Der Bundesverband ist „Miterfinder“ der Berliner Stiftungswoche. Was bedeuten Netzwerke dieser Art für Sie?

Netzwerke sind unglaublich wichtig. Die Stiftungswoche, die ich schon seit einer ganzen Weile kenne, ist ein sehr gutes Beispiel dafür, wie unkompliziert sich Stiftungsvertreter*innen kennenlernen und in ihrer Arbeit vernetzen können. Und das unabhängig davon, wie groß oder klein eine Stiftung ist und welchen Stiftungszweck sie verfolgt. So kann man gemeinsam eine ganz andere Durchschlagskraft entwickeln als dies alleine möglich wäre. Die nächste Stiftungswoche wird das bestimmt wieder zeigen.

 

Falls Sie einmal selbst eine Stiftung gründen würden, welcher Stiftungszweck läge Ihnen besonders am Herzen?

Wir leben in einer Zeit, in der es viele gesellschaftliche Herausforderungen gibt, und so gäbe es sicherlich viele gute Ideen für Stiftungsgründungen. Aber wenn ich ein Thema auswählen müsste, wäre es sicherlich das Thema „Rechtstaatlichkeit und Demokratie in Europa“. Ich bin durch meine Sozialisation stark pro-europäisch geprägt, und ich sehe mit Sorge, dass in einigen Staaten der Europäischen Union der Raum für zivilgesellschaftliche Organisationen immer kleiner wird. In einigen europäischen Ländern wie Ungarn und Polen können wir leider deutliche Beispiele für das Phänomen der „shrinking spaces“ sehen und müssen beobachten wie rechtsstaatliche Prinzipien eingeengt oder gar abgeschafft werden. Hätte ich eine eigene Stiftung, würde ich hier ansetzen, um vor Ort zivilgesellschaftliche Akteure als demokratische Kraft zu unterstützen. Das wäre für mich ein lohnender Stiftungszweck.

 

Herzlichen Dank für das Gespräch. Und viel Erfolg bei den einzelnen Vorhaben!